Auf diesen Beitrag freue ich mich nun schon eine ganze Weile. Es hat mehrere Monate gedauert, bis er endlich Gestalt angenommen hat; ich habe gelacht, geheult und wahrscheinlich einige graue Haare dazu bekommen, aber hier ist er nun:
Alles begann mit der einfachen Anfrage nach einem alten Rezept aus unserem kleinen Dorf. Es ging um den "Schmierschelkuchen", in anderen Orten Mittel- und Oberhessens auch Schmierselkuchen (Schmierkuchen), Lohkuchen oder Lohplatz genannt.
Meine Oma und viele Frauen ihrer Generation haben ihn noch traditionell im Backhaus zubereitet, da er meistens und ursprünglich aus Brotteigresten hergestellt wurde. Hier haben wir auch schon die kleine Besonderheit dieses "Kuchens": der Boden ist ein herzhafter Sauerteig.
Früher als "Arme-Leute-Essen" verschrien, war der Schmierschelkuchen in meiner Kindheit sehr präsent und gehörte zu vielen Dorffesten, nicht zuletzt natürlich zum beliebten Backhausfest. Meine Oma Tilly war eine Landfrau, wie sie im Buche steht. Bei ihr wurde deftig gekocht und rustikal gebacken. Natürlich alles ohne Rezept und nur nach Gefühl. An genau diesem Gefühl ist die erste Recherche nach ihrem Schmierschelkuchen-Rezept gescheitert. Mir klingen heute noch Anweisungen wie "ein Putchen Salz" im Ohr, aber auch die berüchtigten "Sauerteigknittel" sollten mich später noch verfolgen.
Langer Rede kurzer Sinn: es gab kein niedergeschriebenes Rezept meiner Oma.
Was wir fanden waren lose Listen mit Zutaten, jedoch ohne Mengenangaben.
Mein Opa, der sich immer um das Backen der Brote gekümmert hatte, wusste lediglich wie ein guter Schmierschelkuchen zu schmecken hat, jedoch nicht im Detail, wie man ihn zubereitet. An dieser Stelle bekam ich erste Sorgenfalten auf die Stirn.
Meine Sorgenfalten nahmen zu, denn auch zum (unserer Meinung nach) richtigen Sauerteig fanden wir keine zufriedenstellenden Angaben.
'Holen Sie sich Sauerteig vom Bäcker' stand da beispielsweise. 'Nehmen sie 500g Mischbrotteig', oder mein persönliches Highlight: 'Alternativ funktioniert das Rezept auch prima mit fertigem Pizzateig.'
Nein! Eben nicht! Oma würde sich in der Urne drehen, wenn ich Opa Karl einen Schmierschelkuchen mit Pizzateig vorsetzte! Mein Ehrgeiz, einen möglichst traditionellen Schmierschelkuchen zu backen, war geweckt und die Recherche wurde ausgeweitet. Meine Mam telefonierte, ich blätterte und klickte mich durchs Internet.
Sie bekam die ungefähre Zusammensetzung für den süßen Belag heraus, ich entschied mich nach vielen Fragezeichen im Kopf für Roggensauerteig mit einem kleinen Anteil Weizenmehl. Es konnte endlich losgehen.
Langer Rede kurzer Sinn: es gab kein niedergeschriebenes Rezept meiner Oma.
Was wir fanden waren lose Listen mit Zutaten, jedoch ohne Mengenangaben.
Mein Opa, der sich immer um das Backen der Brote gekümmert hatte, wusste lediglich wie ein guter Schmierschelkuchen zu schmecken hat, jedoch nicht im Detail, wie man ihn zubereitet. An dieser Stelle bekam ich erste Sorgenfalten auf die Stirn.
Die Suche beginnt
Gemeinsam mit meiner Mam, wühlte ich mich durch alte Bücher, mittelhessische Literatur und Geschichtsbände über unser kleines Dorf. Dabei stießen wir wohl auf den ein oder anderen Schmierschelkuchen, jedoch waren ausnahmslos alle herzhaft mit Speck oder Zwiebeln. Die süße Lahnauer Variante war nirgends zu finden.Meine Sorgenfalten nahmen zu, denn auch zum (unserer Meinung nach) richtigen Sauerteig fanden wir keine zufriedenstellenden Angaben.
'Holen Sie sich Sauerteig vom Bäcker' stand da beispielsweise. 'Nehmen sie 500g Mischbrotteig', oder mein persönliches Highlight: 'Alternativ funktioniert das Rezept auch prima mit fertigem Pizzateig.'
Nein! Eben nicht! Oma würde sich in der Urne drehen, wenn ich Opa Karl einen Schmierschelkuchen mit Pizzateig vorsetzte! Mein Ehrgeiz, einen möglichst traditionellen Schmierschelkuchen zu backen, war geweckt und die Recherche wurde ausgeweitet. Meine Mam telefonierte, ich blätterte und klickte mich durchs Internet.
Sie bekam die ungefähre Zusammensetzung für den süßen Belag heraus, ich entschied mich nach vielen Fragezeichen im Kopf für Roggensauerteig mit einem kleinen Anteil Weizenmehl. Es konnte endlich losgehen.
Die ersten Sauerteige verstarben nach kurzer Zeit. Einer fand wohl den Hungertod, der andere war zu schwach. Ich betrauerte sie beide und vergoss einige Tränchen, weil ich nicht zu Oma Tilly gehen und um Rat fragen konnte.
Es machte mich an diesem Punkt sehr traurig, dass ihr ganz individuelles Rezept offenbar vor zwei Jahren mit ihr gestorben war. Dass ich keine Bilder fand, wie sie im Backhaus werkelte und dass es diese schöne Tradition heute kaum noch gibt, verschlechterte meine Laune zusätzlich. Eine tiefgraue Wolke hing über meinem Schmierschelkuchen-Projekt, als meine Mam schließlich in einer losen Blättersammlung das Rezept meiner Oma für Bauernbrot fand. Notiert von meinem Paps. Hallelujah - ein Lichtblick.
Mit frischem Mut wurde Sauerteig Nummer drei angesetzt, gehegt und gepflegt. Er dankte es mir mit einem freundlichen Blubbern; der Sauerteigfluch schien gebrochen.
Das Anstellgut wurde haargenau nach Omas Anweisung abends vor dem Backtag um 23:00 Uhr gesäuert und mit einem Kreuz versehen - damit auch ja nichts mehr schiefgehen konnte!
Am nächsten Tag entstand mein erstes Roggensauerteigbrot ohne Hefe. Das Ergebnis war zwar noch etwas fad im Geschmack und zu dicht in der Konsistenz, trotzdem freuten wir uns alle wie kleine Kinder an Weihnachten.
Aus der zweiten Sauerteiggeneration entstanden schließlich ein weiteres Bauernbrot, zwei süße und ein herzhafter Schmierschelkuchen, 6 Würstchen im Schlafrock und ein kleines Körnerbrot. Die Küche verwandelte sich in mein eigenes Backhaus und es duftete in allen Zimmern nach Erinnerungen.
Oma Tilly war an diesem Tag allgegenwärtig und ganz nah bei uns - es war so schön ♥ An dieser Stelle, möchte ich der lieben Ute von Herzen dafür danken, dass sie durch ihre Frage nach dem Schmierschelkuchen, eine intensive Reise in die Vergangenheit angestoßen hat. Ute, hier ist es endlich - DAS Rezept für unseren Dorlarer Schmierschelkuchen nach Oma Tilly.
Der Sauerteig*:
Das Anstellgut aus Mehl und Wasser benötigt ca. 5 Tage, bevor es über Nacht "angesäuert" zum finalen Sauerteig wird, der dann die Basis für Brot oder in diesem Fall Kuchen bildet.
Das Anstellgut
Es machte mich an diesem Punkt sehr traurig, dass ihr ganz individuelles Rezept offenbar vor zwei Jahren mit ihr gestorben war. Dass ich keine Bilder fand, wie sie im Backhaus werkelte und dass es diese schöne Tradition heute kaum noch gibt, verschlechterte meine Laune zusätzlich. Eine tiefgraue Wolke hing über meinem Schmierschelkuchen-Projekt, als meine Mam schließlich in einer losen Blättersammlung das Rezept meiner Oma für Bauernbrot fand. Notiert von meinem Paps. Hallelujah - ein Lichtblick.
Mit frischem Mut wurde Sauerteig Nummer drei angesetzt, gehegt und gepflegt. Er dankte es mir mit einem freundlichen Blubbern; der Sauerteigfluch schien gebrochen.
Das Anstellgut wurde haargenau nach Omas Anweisung abends vor dem Backtag um 23:00 Uhr gesäuert und mit einem Kreuz versehen - damit auch ja nichts mehr schiefgehen konnte!
Am nächsten Tag entstand mein erstes Roggensauerteigbrot ohne Hefe. Das Ergebnis war zwar noch etwas fad im Geschmack und zu dicht in der Konsistenz, trotzdem freuten wir uns alle wie kleine Kinder an Weihnachten.
Aus der zweiten Sauerteiggeneration entstanden schließlich ein weiteres Bauernbrot, zwei süße und ein herzhafter Schmierschelkuchen, 6 Würstchen im Schlafrock und ein kleines Körnerbrot. Die Küche verwandelte sich in mein eigenes Backhaus und es duftete in allen Zimmern nach Erinnerungen.
Oma Tilly war an diesem Tag allgegenwärtig und ganz nah bei uns - es war so schön ♥ An dieser Stelle, möchte ich der lieben Ute von Herzen dafür danken, dass sie durch ihre Frage nach dem Schmierschelkuchen, eine intensive Reise in die Vergangenheit angestoßen hat. Ute, hier ist es endlich - DAS Rezept für unseren Dorlarer Schmierschelkuchen nach Oma Tilly.
Der Sauerteig*:
Das Anstellgut aus Mehl und Wasser benötigt ca. 5 Tage, bevor es über Nacht "angesäuert" zum finalen Sauerteig wird, der dann die Basis für Brot oder in diesem Fall Kuchen bildet.
Das Anstellgut
- 100g Roggenmehl Typ 1150
- 100ml lauwarmes Wasser
Mehl und Wasser in einer großen Schüssel gut miteinander verrühren. Mit einem Tuch abdecken und an einem warmen Ort (ohne Zugluft) 24 Stunden ruhen lassen.
An Tag 2-5 jeweils mit 100g Roggenmehl und 100ml lauwarmem Wasser "füttern" und anschließend wieder abdecken.
Das Anstellgut sollte im Laufe der Zeit, anfangen säuerlich zu riechen und darf kleine Blasen werfen. Sollte sich die Masse stark verfärben oder Schimmel ansetzen, müsst ihr sie entsorgen und neu beginnen!
Eine sehr hilfreiche Internetseite gibt es begleitend zum Buch "Der Sauerteig - das unbekannte Wesen".
Wenn ihr am Backtag morgens um 7:00 Uhr anfangen möchtet, solltet ihr das Anstellgut von Tag 5 am Vorabend gegen 23:00 Uhr ansäuern - also 8 Stunden vorher.
Das Ansäuern
Wenn ihr am Backtag morgens um 7:00 Uhr anfangen möchtet, solltet ihr das Anstellgut von Tag 5 am Vorabend gegen 23:00 Uhr ansäuern - also 8 Stunden vorher.
Das Ansäuern
- 200g Anstellgut (von Tag 5)
- 200g Roggenmehl Typ 1150
- 100g Weizenmehl Typ 550
- 300ml lauwarmes Wasser
Das Anstellgut wird mit Wasser, Roggen- und Weizenmehl gut verrührt und ca. 8 Stunden abgedeckt an einem warmen Ort gesäuert. Verwendet immer eine große Schüssel, oder stellt etwas unter, falls der Teig mehr Platz benötigt, als ihr denkt.
Das Backen
- Sauerteigansatz
- 1/2 TL Salz
- 200g Roggenmehl Typ 1150
- 100g Weizenmehl Typ 550
- 100ml lauwarmes Wasser
Sauerteigansatz zuerst mit Salz bestreuen und dann das Wasser darauf gießen. Beide Mehlsorten ergänzen und alles zu einer homogenen Masse kneten. Am besten funktioniert das mit einer leistungsstarken Küchenmaschine oder kräftigen Händen. Der Teig ist sehr klebrig. Es sollten keine Mehlnester mehr vorhanden sein, wenn ihr den Teig zum Gehen beiseite stellt. Nach 2 1/2 Stunden kann es dann auch endlich ans Backen gehen.
Für ein Blech benötigt ihr etwa 600g fertigen Teig als Boden. Solltet ihr noch Teig übrig haben, könnt ihr diesen zu kleinen Broten oder Brötchen formen und backen.
Blech mit etwas Butter einfetten und den Teig gleichmäßig darauf verteilen. Am besten funktioniert das mit gut bemehlten Händen.
*Wem die Zubereitung eines eigenen Sauerteiges zu aufwendig ist, der kann sich selbstverständlich auch vorbereiteten beim Bäcker holen, oder auf ein eigenes Rezept für Roggenbrot zurückgreifen. Ihr benötigt ca. 500-600g Teig für den Kuchenboden. Von Pizzateig rate ich übrigens vehement ab! Schon aus Prinzip..
*Wem die Zubereitung eines eigenen Sauerteiges zu aufwendig ist, der kann sich selbstverständlich auch vorbereiteten beim Bäcker holen, oder auf ein eigenes Rezept für Roggenbrot zurückgreifen. Ihr benötigt ca. 500-600g Teig für den Kuchenboden. Von Pizzateig rate ich übrigens vehement ab! Schon aus Prinzip..
Der Belag für ein Blech:
Die süße Version mit Apfel
- 500g Magerquark (10%)
- 200g Schmand
- 1 Ei
- 1 mittelgroße Pellkartoffel, geschält und gerieben
- 2 EL neutrales Öl
- 2 EL Zucker
- 1/2 TL Salz
- 3-4 rotbackige, aromatische Äpfel (z.B. Elstar, Jonagold oder Ingrid Marie)
- etwas Butter
Die herzhafte Version mit Dörrfleisch
- 500g Magerquark (10%)
- 250g Schmand
- 2 Eier
- 3 Pelllkartoffeln, geschält und gerieben
- 2 EL neutrales Öl
- 1 gestrichener TL Salz
- Pfeffer
- 150g Dörrfleisch- oder magere Schinkenwürfel
Egal ob süß oder herzhaft, verrührt alle Zutaten bis auf die Äpfel bzw. das Dörrfleisch miteinander und streicht die Masse auf den Brotteig.
Die süße Version wird mit Apfelscheiben und einigen Butterflöckchen belegt, die herzhafte Variante mit Dörrfleisch bestreut.
Im vorgeheizten Backofen auf 200°C Heißluft, 30-35 Minuten oder bei Ober-/Unterhitze 20-25 Minuten backen. Den süßen Kuchen könnt ihr nach Belieben mit etwas Zucker bestreuen, bevor ihr ihn euch schmecken lasst.
Zu guter Letzt fand sich dann sogar noch ein Bild meiner Großeltern, wie sie in unserem alten Backhaus Brote aus dem Ofen holen ♥
Kennt ihr Schmierschelkuchen oder ein ähnliches Rezept?
Dann schreibt mir gerne eine Mail an jankes-seelenschmaus@web.de oder postet eure Links in den Kommentaren. Ich bin gespannt auf eure Version und darauf, wie weit diese Tradition verbreitet ist
Alles Liebe und einen schönen Feiertag - eure Janke
Hallo Janke,
AntwortenLöschenich habe den Schmierschelkuchen zum ersten Mal vor ca. 2 Jahren in einer Bäckerei in Fronhausen-Bellnhausen gegessen und war davon echt angetan. Ich kannte das Gericht überhaupt nicht, obwohl meine Omas und meine Mutter sich gut mit regionalen Gerichten auskennen und diese auch zubereiten. Aber hier am Eingang des Hinterlandes gibts den Schmierschelkuchen wohl traditionell nicht, sondern eher im Giessen/Wetzlarer Raum.
Viel Erfolg weiterhin mit dem schönen Blog und Grüsse aus Gladenbach,
Martin Guenther
Liebe Janke, was für eine zauberhafte Geschichte! Ich habe mich heute an deinem Rezept eher entlangimprovisiert (= Anstellgut musste weg bzw. aufgefrischt werden) und das Ergebnis war mutmaßlich nicht ganz das, was es hätte sein können, nichtsdestotrotz: Für solche Stories und solche Rezepte gibt es das Internet! Danke!
AntwortenLöschenHerzlich: Charlotte
Hallo Janke,
AntwortenLöschenvielen Dank für den schönen Beitrag!
Hier in Alsfeld heißt das leckere (herzhafte) Gebäck Salzekuchen und wurde von uns früher oft an langen Schultagen in der Mittagspause verspeist.
Von meiner Oma aus Bellnhausen her kenne ich es als Schmierkuchen ;-)
Viele Grüße
Juli